Eine Leidenstour

Eine Leidenstour

Es war ein Sonntag. Es war der 12.01.2020 und ich fühlte mich gut. Das Wetter war durchwachsen und es schien ein bisschen windig zu sein. Ok, damit würde ich wohl leben können. So zumindest waren meine Gedanken, als ich mich entschied eine kleiner Radtour machen.

Obwohl ich nicht gerne durch die Stadt fahre, wollte ich aber mit dem Rad in Richtung Osterath fahren, um dann über die Felder eine Runde um Kaarst zurückzulegen. Der Kaarst kennt, der weiß, dass die Durchgangsstraße vom Kaarster Bahnhof bis zur Autobahnauffahrt A52 von einem Radweg gesäumt ist, der allerdings schlecht zu befahren ist. Dieser Radweg ist ein Graus.

Als ich endlich aus dem Stadtgebiet heraus war, konnte ich einigermaßen gut fahren (schlechte Fahrbahndecke ist meist vorhanden, daher nicht erwähnenswert). Frisch und ausgeruht trat ich in die Pedale meines Tourenrads. Auf der Höhe der Straße Hardt nördlich von Kaarst überquerte ich die auch an einem Sonntag viel befahrene Straße, die nach Osterath führt, um zumindest dem Verkehrslärm zu entgehen.

Dafür entging ich aber nicht dem Wind, der mir erst mit dem Befahren der Straße Hardt so richtig bewusst wurde. Es war nicht die Kälte, die mich störte oder nervte, sondern die aufkommende Stärke des Windes. Mit dem Rückenwind bis zu dieser Stelle, hatte ich nicht gemerkt wie kräftig doch der Wind war. Und das sollte auf dem freien Feld noch schlimmer werden. Kilometerweit musste ich teils mit Kantenwind von vorne links die Strecke abstrampeln. Normalerweise machte mir Wind nicht viel aus. Wind, der frontal von vorne kommt, ist mir lieber, wie Seiten- oder Kantenwind. Aber an dem Tag kam ich mit dem Wind überhaupt nicht klar. Meine Beine wurden immer schwerer, obwohl ich sehr langsam fuhr und den Gang so gewählt hatte, dass ich leicht treten konnte.

Warum ich körperlich so abgebaut hatte an diesem Tag, ist mir bis heute nicht klar. Nach nur 23 km war ich wieder zu Hause und vollkommen fertig. Eine solche Leidenstour, die nur über eine kurze Strecke geführt hatte, hatte ich noch nie erlebt. Ok, nach 100 km kann man schon mal körperlich arg in den Seilen hängen, aber nach 23 km war das eher ein Witz.

Nachdem ich mich ein wenig erholt und eine Dusche genommen hatte, machte ich mir über das Radfahren so meine Gedanken. Im Jahre 2019 hatte ich es zum ersten Mal seit 2008 wieder geschafft, mehr als 1.000 km im Jahr gefahren zu sein. Darauf war ich durchaus stolz, denn mein Leben hatte sich arg geändert und das Radfahren war in den Hintergrund geraten. Privat als auch beruflich hatte ich nicht viele Möglichkeiten, mich mehr auf das Radfahren zu konzentrieren. Für das Jahr 2019 hatte ich mir das Jahresziel von 1.000 km gesetzt und auch wirklich erreicht.

Doch mit der an diesem Sonntag erlebten Niederlage, anders kann ich das für mich nicht werten, musste ich vielleicht andere Wege gehen.

Schon lange Zeit machte mir das Autofahren keine Freude mehr. Die vielen Stunden, die ich vor dem Umzug nach Kaarst im Auto gesessen hatte, hatten mir das Fahren verleidet. Staus sind für mich ein Graus ohne Ende. Soviel Zeit habe ich in Staus verbraucht, die ich anders hätte nutzen können. Hätte, hätte, Fahrradkette... habe ich aber nicht. Selbst die kurzen Fahrten von Kaarst ins Büro nervten immer mehr, denn mit dem dichten Verkehr hatte ich echte Probleme. Ein kompletter Umstieg auf den Bus, den ich einmal die Woche nutzte, um vom Betrieb nach Hause zu laufen, kam aber nicht in Frage. Ich würde so jeden Tag mindestens 2,5 Stunden unterwegs sein, ohne mich wirklich bewegen und /oder erholen zu können. Mit dem Auto waren es ca. 35 Minuten täglich.

Die einfache Strecke von zu Hause zum Büro bzw. zurück betrug ca. 16 km. Das hatte ich im vorangegangenen Herbst mal abgefahren. 16 km mit Ampeln und Kreuzungen sowie dem Einhalten der Straßenverkehrsordnung würde bedeuten, dass ich mit dem Rad ca. 1 Stunde benötigen würde. Das setzte aber voraus, dass ich frei Strecke haben musste, also wie mit dem Auto auch, früh losfahren musste.

Diese Gedanken bewegten mich den restlichen Sonntag und auch den folgenden Montag. Am Montagabend stand für mich die Entscheidung fest:

  • Mein Auto musste weg.
  • Ein Pedelec musste her.

Dieses Vorhaben erzählte ich meiner Frau, die leicht irritiert war. Ein Pedelec war nicht für 300 Euro zu bekommen. Es sollte mein Autoersatz werden. Auch für die Fahrt zum Büro. Denn auch wenn ich je Strecke ca. 1 Stunde benötigen würde, also insgesamt dann 2 Stunden, war ich in Bewegung und saß nicht blöde im Bus herum oder musste an den Haltestellen warten. Jeden Tag nach Hause laufen, was mindestens 2,5 Stunden dauern würde, konnte ich aber auch nicht.

Leider war der Dienstag von der Arbeit so ausgefüllt, dass mir keine Zeit blieb zum Radhändler zu fahren. Ich hatte mir vorgenommen beim örtlichen Radhändler (Haus der Räder in Kaarst) die Angebote zu sichten. Im vergangenen Herbst, als ich mein Tourenrad zur Inspektion gebracht hatte, hatte ich mal kurz nach Pedelecs gefragt. Der Verkäufer berichtete mir, dass sie nur Boschmotoren im Angebot hätten. Nun hatte ich zwischenzeitlich im Internet einiges gelesen und ich war mir sicher, dass ein Bosch-Mittelmotor durchaus eine gute Wahl wäre. Etwas Sorge hatte ich, weil ich nicht genau einordnen konnte, ob das Fahren ohne Motorunterstützung über einen längeren Zeitraum möglich war.

Am Mittwoch, also am 15.01., war dann alles sehr schnell erledigt. Da ich im Flexoffice arbeiten konnte, konnte ich auch früh in den Feierabend gehen. Mir war es lieb im Radladen zu sein, wenn der Publikumsverkehr nicht zu viel war. Und ich hatte Glück. Es war keiner da und ich konnte mein Anliegen schnell vortragen. Der Verkäufer stellte mir ein Rad zur Probe hin. Die Marke hieß Panther. Davon hatte ich noch nie gehört, aber mit dem Boom an Pedelecs und Rädern allgemein waren sehr viele Marken neu auf dem Markt, so dass ich nicht alles kennen konnte.

Kurz wurde mir die Funktion des Lenkercomputers erklärt und schon konnte ich losfahren. Jau, was für ein geiles Fahrgefühl. Die Strecke, die ich fuhr, war frei und ohne Verkehr. Ich konnte alle Gänge schalten, alle Unterstützungsstufen aufrufen und sogar ohne Motorunterstützung sehr gut fahren. Ich war hellauf begeistert. Der Gegenwind konnte mir auch nichts anhaben. Die Sache war gebont!

Der Panther sollte tatsächlich meiner werden.

Mit dem Händler wurde ich schnell handelseinig. Mein Tourenrad, welches ich April 1999 gekauft hatte, musste in Rente gehen und wurde in Zahlung gegeben. Da ich noch eine neue Lenkertasche sowie SPD-Klickpedale haben musste und das Rad noch durchgecheckt werden sollte, einigten wir uns auf den Liefertermin am 22.01.2020.

Mit dem Tourenrad machte ich noch 3 kleine Touren, um mich dann von dem treuen Kumpel zu verabschieden. Es tat mir schon ein bisschen leid, denn das Tourenrad hatte mich durch einige wilde und traurige Zeiten begleitet. Und es hatte mich nie im Stich gelassen.

Tourenrad - Mit dem Tourenrad konnte ich seit April 1999 im Wechsel mit dem Rennrad viele schöne Touren fahren.